Alle Toten fliegen hoch: Amerika

Joachim Meyerhoff- Alle Toten fliegen hoch

Teil 1: Amerika

Ich wollte endlich lernen, so zu gucken, als hätte ich ein Geheimnis, und nicht, als wäre mir die Welt eines.

Mit dieser Motivation begibt sich der 17-Jährige Joachim im ersten Band von „Alle Toten fliegen hoch“ für ein Jahr nach Amerika. Gleich zu Beginn gibt er zu, dass er zwar oft behauptet, es sei ein Basketballstipendium gewesen, doch in Wirklichkeit haben seine Großeltern den Austausch bezahlt.

Diese schonungslose Ehrlichkeit zieht sich durch den gesamten Familienroman.

Der Ich-Erzähler ist ein normaler Teenager mit miesen Noten und Interesse für Sport und Mädchen. Weil er unbedingt nach Amerika will, schummelt er seine Person und seine Präferenzen betreffend bei der Austauschorganisation.

Als es soweit ist, lässt er mit großen Erwartungen seine Eltern, seine zwei Brüder und seine Freundin zurück, mit der er erst seit ein paar Monaten zusammen ist, und begibt sich auf seine Reise. Wegen seiner gemachten Angaben landet der Erzähler bei einer religiösen Familie in Laramie, einer idyllischen Stadt, in der das Leben ruhig ist, doch nicht zu ruhig für einen abenteuerlichen Austausch.

Zahlreiche neue Erlebnisse und Eindrücke warten auf den Protagonisten: Ein Wasserbett, auf dem er sich so herrlich unkompliziert zum Höhepunkt schwabbeln kann, ein gemeiner Gastbruder, dessen Hass keinen Grund zu haben scheint, sowie ein selbst zusammengestellter Stundenplan mit Fächern wie Tischlern, Theater und Identitätsfindung.

Meine Lieblingsanekdote trägt sich in der 3. Schulstunde an der neuen Schule zu. Beim Werken beobachtet der Erzähler, wie ein Mitschüler für seinen durch einen Bauern erschossenen Hund Brandy ein Kreuz zimmert. “Plötzlich schleuderte er seinen Hammer gegen die Wand und rannte aus der Werkstatt. Wir anderen gingen zum Kreuz. Da stand B R A D Y . Er hatte sich vor Trauer verschrieben.”

Ich mag sehr gerne, dass der Erzähler so detailliert beobachtet und wertfrei erzählt, das macht die Tragik der Situationen so komisch. Generell ist Meyerhoffs Sprache gekennzeichnet durch eine Leichtigkeit, mit der auch unschöne Erfahrungen für den Leser  erheiternd sind. Dabei liegt der Witz in der Gelassenheit, mit dem der Ich-Erzähler sich und sein Erleben reflektiert.

Fazit

Absolut lesenswert! Schade finde ich nur, dass der Erzähler erst ab etwa Seite 100 tatsächlich in Amerika ankommt. Die Rückblenden in die Kindheit nehmen dafür, dass sie für den weiteren Verlauf nicht mehr bedeutend sind, zu viel Raum ein. Ich habe anhand derer einen aufbrausenden, von Zornattacken  geplagten Charakter erwartet, der Schwierigkeiten mit den Gasteltern haben würde.
Insgesamt nimmt Meyerhoff den Leser so pointiert-witzig mit auf seine Reise, sodass die nächsten Bände jetzt ganz klar auch auf meiner Wunschliste stehen!

Auf einen Blick

Alle Toten fliegen hoch
Bandnummer 1
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
ISBN: 978-3-462-04436-2
Erschienen am: 14.02.2013
336 Seiten

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