Monat: Mai 2018

Erste Liebe von Iwan Turgenjew

Der Inhalt

Die autobiografische Liebesgeschichte spielt zwischen einem 16-Jährigen und einer fünf Jahre älteren Frau. Sie wird von dem inzwischen gealterten Wladimir Petrowitsch erzählt, der sich daran in Gegenwart von Freunden zurückerinnert.

Iwan Turgenjew brachte den Bezug zu sich folgendermaßen zum Ausdruck:

Erste Liebe ist am Ende mein Lieblingswerk. Dies ist das Leben selbst.
Das ist nicht erdichtet, das ist erlebt.

Die Geschichte spielt im Sommer 1833 in der Nähe von Moskau. Wladimir ist das einzige Kind seiner Mutter, die zehn Jahre älter als der Vater ist. Wladimirs Verhältnis zu seinen Eltern ist distanziert.
Die Mutter ist gereizt und eifersüchtig, doch zeigt das aus Angst gegenüber dem Vater nicht.
Dieser wird vom Erzähler als ruhig, selbstbewusst und beherrscht beschrieben.

Wladimir hat Zeit, um sich auf die Universität vorzubereiten, doch er wird abgelenkt von unbändigen Gefühlsregungen und Gefühlsschwankungen.
Diese verstärken sich, als er die Tochter seiner neuen Nachbarin, Sinaida, kennenlernt.

Alle Männer begehren sie und scharen sich um sie. Jedem macht sie Hoffnungen, obwohl sie sich nur auf einen einlässt. Ausgerechnet auf Wladimirs Vater.

Die Sprache

Die Ausdrucksweise ist pathetisch und es finden sich viele Naturmetaphern, was mich an ,,Die Leiden des jungen Werther” erinnert hat.

Ich schaute und konnte mich von dem Anblick nicht losreißen: dieses stumme Blitzen, dieses verhaltene Leuchten entsprach, so schien es mir, jenen stummen und verborgenen Ausbrüchen, die auch in meinem Inneren aufflammten. (S. 67)

Dennoch finde ich es für eine überwältigende Liebesgeschichte angemessen und authentisch, zumal der Protagonist dieses Gefühl das erste Mal in seinem Leben verspürt.
Die Ausdrucksweise stellt keine Schwierigkeit zum Verständnis der Handlung dar.

Das Fazit

Erste Liebe ist ein wunderbarer und leicht zu lesender russischer Klassiker, der ausdrucksstark eine ungewöhnliche und ungleiche Liebesgeschichte beinhaltet.

Auf einen Blick

Erste Liebe von Iwan Turgenjew
Seitenzahl 210
Erscheinungsdatum 1986
Sprache Deutsch, Russisch
ISBN 978-3-15-001732-6
Verlag Philipp Reclam Jun.
Übersetzer Kay Borowsky

Die Spuren meiner Mutter von Jodi Picoult

🐘 Der Inhalt

Jenna ist 13 Jahre alt und lebt bei ihrer Oma, da ihre Mutter, die Elefantenforscherin Alice Metcalf, verschwunden ist. Obwohl es höchst unwissenschaftlich ist, holt sie Serenety ins Boot. Sie ist ein bekanntes Medium, das schon viele Vermisstenfälle gelöst hat.
Die beiden werden bei der Suche unterstützt durch Virgil, einen Privatdetektiven, der vor der Einstellung des Falls mit diesem vertraut war.

🐘 Der Aufbau

Die Kapitel werden nicht immer nur aus der Sicht von Jenna, Serenety oder Virgil geschildert, sondern auch Jennas Mutter Alice gibt Einblicke in ihr Leben. Hierbei geht es zunächst primär um ihre Arbeit mit den Elefanten, doch im Verlauf werden ihre Beschreibungen konkreter und privat. Nach und nach ergibt sich so ein Gesamtbild der Situation.

🐘 Das Fazit

Ich mochte alle vorkommenden Personen und vor allem mit Jenna habe ich von Anfang an mitgefühlt. Von der ersten Seite an hat mich Jodi Picoults simpler Schreibstil gefesselt und durch den stetigen Erzählerwechsel wurde eine große Spannung aufgebaut. Das Ende war während des Lesens nicht vorhersehbar, sodass es durchgehend interessant blieb. ,,Die Spuren meiner Mutter” ist ein schöner Roman über die Liebe zwischen Mutter und Tochter.

 

Auf einen Blick

Die Spuren meiner Mutter von Jodi Picoult
Roman
Aus dem Englischen von Elfriede Peschel
Originaltitel: Leaving Time
Originalverlag: Ballantine Books (Random House), New York 2014
Verlag: C. Bertelsmann
Erschienen: 29.08.2016

Die geliehene Schuld von Claire Winter

Der Inhalt

Der Journalist Jonathan Lessing recherchiert über ehemalige Kriegsverbrecher und deren Verbleib nach dem zweiten Weltkrieg, bevor er bei einem mysteriösen Unfall ums Leben kommt.
Seiner Kollegin und Jugendfreundin Vera Lessing, die ebenfalls Journalistin ist, hatte er sich zu Lebzeiten nicht anvertraut, doch jetzt hat sie Unterlagen von ihm erhalten und den Auftrag weiterzurecherchieren. Für die Öffentlichkeit. Für die Wahrheit. So macht Vera sich auf die Suche nach dieser und begibt sich bis in die mächtigen Kreise der Geheimdienste, und somit in große Gefahr.

Die Personen

Am Ende des Buches findet sich ein Personenverzeichnis, was ich sehr begrüßt habe, da viele Personen auftreten.

Da ist einmal die Familie Weissenburg, deren jüngstes Kind Marie plötzlich erwachsen wird und beginnt sich für die Vergangenheit der Familie zu interessieren. War ihr gefallener Vater wirklich ein Soldat, dessen Vermächtnis man nicht beschmutzen soll? Welche Rolle spielte er im Krieg?

Marie lernt Jonathan kennen und bittet ihn, Nachforschungen anzustellen, da er als Journalist ganz andere Möglichkeiten hat als sie selbst.
Auch Marie macht sich auf die Suche nach den Spuren der Vergangenheit und findet hierbei eine Freundin: Lina Löwy, eine Jüdin, die während des Holocaust bis auf ihren Bruder alle Familienmitglieder verloren hat.

Obwohl Marie nichts für die Verbrechen ihres Vaters kann, fühlt sie sich schuldig, doch Lina tröstet sie:

Du bist ein guter uns besonderer Mensch. […] Dass du die Wahrheit über deinen Vater wissen wolltest, obwohl du geahnt hast, an welchen Verbrechen er beteiligt war, das bewundere ich, und es hilft mir, mich mit diesem Land zu versöhnen, weil es mir den Glauben zurückgegeben hat, dass nicht alle Menschen in diesem Land so waren und sind wie die, die meine Familie umgebracht haben. (S. 381)

Das Fazit

Noch nie habe ich 571 Seiten in so einem rasanten Tempo verschlungen wie ,,Die geliehene Schuld”.
Durch kurze Kapitel mit Perspektivwechseln und Zeitsprüngen baut sich eine Dynamik auf, die den Leser mitreißt in die deutsche Nachkriegszeit. Hierbei muss der Leser allerdings konzentriert sein, sonst droht die Geschichte schnell unübersichtlich zu werden.
Durchgehend formten sich die Worte in meinem Kopf zu Bildern und ich genoss nicht nur die Liebes-, Freundschafts- und Familiengeschichten, sondern auch die historischen Fakten, die den Rahmen hierfür bilden.

Die geliehene Schuld hat mich berührt und nachdenklich zurückgelassen: Wie beherrschen frühere Strukturen noch immer unser politisches und gesellschaftliches System? Auf welchen Missständen beruht unsere Demokratie? Wie tief ist rechtes Gedankengut, vor allem bei den Älteren noch immer präsent?
Bisher habe ich die unangenehme Thematik des zweiten Weltkrieges lieber ausgeblendet, doch dieser Roman hat mich dem erstmal geöffnet.

Auf einen Blick

Die geliehene Schuld
Claire Winter
Gebundene Ausgabe: 576 Seiten
Verlag: Diana
Erschienen am 5. März 2018
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3453291948

Der Zopf von Laetitia Colombani

Der Inhalt

Smita, Giulia und Sarah sind drei Frauen, die auf unterschiedlichen Teilen dieser Erde zu Hause sind. Entsprechend unterschiedlich sind ihre Leben. Gemeinsam haben sie den Kampf um ihre Zukunft, jede auf ihre Art und Weise.

Die Personen

Smita lebt in Indien, wo sie zu der ärmsten Bevölkerungsschicht zählt. Sie gehört keiner Kaste an, weshalb sie niemals Bildung genießen konnte. Sie lebt mit ihrer sechsjährigen Tochter Lalita in einer schäbigen Hütte und verrichtet niedere Arbeiten. Es gibt keine Abwassersysteme und keine Kanalisation: Krankheiten breiten sich aus und Frauen müssen bis zum Einbruch der Dunkelheit warten, damit sie sich auf dem Feld erleichtern können. Hierbei sind sie vielfach Übergriffen ausgesetzt. [Hierzu habe ich vor einigen Jahren mal diesen Zeitungsartikel bei Zeit.de gelesen und für gut befunden.]
Smita möchte, dass Lalita mal ein besseres Leben hat als sie selbst und ist bereit, alles dafür zu tun.

Giulia lebt mit ihrer Familien in Sizilien, wo der Vater eine Perrückenfabrik besitzt. Nach seinem Tod übernimmt Giulia diese, doch muss feststellen, dass sie beinahe bankrott ist. Sie sieht zwei Möglichkeiten: Das Geschäft gegen den Rat der Familie zu erneuern, oder es lokal untergehen zu lassen.

Sarah ist eine erfolgreiche Anwältin aus Kanada und alleinerziehende Mutter dreier Kinder. Es nagt an ihr, wenig Zeit mit den Kindern verbringen zu können und trotzdem ist ihr ihre Karriere sehr wichtig. Durch diese kann sie sich allerdings einen Betreuer für ihre Kinder leisten, um alles unter einen Hut zu bringen. Als wäre das nicht schon anstrengend genug, erkrankt Sarah auch noch an Krebs. Sie will weder verletzt, noch schwach oder ängstlich wirken, und nimmt autonom den Kampf gegen ihren Tumor auf.

Das Fazit

Ich empfand die drei Geschichten als nicht zu sehr miteinander verwoben, sodass ich dazu übergegangen bin, die Kapitel nicht in abwechselnder Reihenfolge zu lesen, sondern nach Personen sortiert.
Angefangen habe ich hierbei bei Sarah, da sie das typisch westliche Leben hat, mit dem ich mich am meisten identifizieren kann.
Bei der Geschichte um Giulia gefiel mir am besten die mitschwingende erotische Leidenschaft, die in diesem Roman einzig bei ihr zu finden.
Der Lebensweg, der am meisten Mut bedarf wird Smita zuteil. Die Schilderungen um ihre Lebenssituation empfand ich als verstörend und ich konnte richtig mitfühlen, wie sie sich nichts sehnlicher wünscht als ein besseres Leben, vor allem für ihre Tochter.

Jede Geschichte für sich stehend ist anschaulich geschildert und auch, wenn sich die drei nur schwer vergleichen lassen zeigt sich, dass jedes Problem ein Problem ist, doch dass mutige Frauen sich dem stellen und dies überwinden können. ,,Der Zopf” ist ein mitreißendes Buch, das den Leser über das Lesen hinaus beschäftigt.

Auf einen Blick

Titel: Der Zopf
Autorin: Laetitia Colombani
Originalsprache: Französisch
Übersetzt von: Claudia Marquardt
Preis € (D) 20,00 | € (A) 20,60
ISBN: 978-3-10-397351-8
288 Seiten, gebunden
S. FISCHER

Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden

🐱 Der Inhalt

Genki Kawamura erzählt in seinem Roman “Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden” von einem todkranken Briefträger, der vom Teufel die Chance bekommt, sein Leben zu verlängern.
Für jeden Tag, den er länger leben möchte, muss eine Sache von der Welt verschwinden.
Welche das ist, entscheidet der Teufel.
Nach Telefonen, Filmen und Uhren, sollen es am 4. Tag die Katzen sein. Ob sich der Protagonist darauf einlassen kann?

🐱 Das Fazit

Dieses wunderschöne Buch liest sich sehr schnell und es ist fesselnd. Das gelingt durch den einfach gehaltenen Sprachstil, sowie durch die humorvollen Dialoge.
Der Teufel ist nämlich ziemlich lustig, wenn auch gehässig.
Der Protagonist entdeckt derweil, was im Leben wirklich wichtig ist, wodurch sich der Leser ebenfalls unweigerlich der Frage danach ausgesetzt sieht.

Je hektischer ich dem Unmittelbaren nachjagte, desto weniger Zeit war mir für das Entscheidende geblieben.[…] Es war beklagenswert, wie vielen unwesentlichen Dingen ich in meinem Leben hinterhergelaufen war.

“Wenn alle Katzen von der Welt verschwänden” ist kein Buch über die im Titel genannten Vierbeiner, sondern eine Geschichte darüber, was zählt.

Der Roman bietet zwei Möglichkeiten: Er kann dem Leser helfen, sich selbst wieder näher zu kommen, oder, wenn er nicht dazu bereit ist, ihn zumindest auf 192 Seiten sehr gut zu unterhalten.

Auf einen Blick

Originaltitel: If cats disappeared from the world
Autor: Genki Kawamura
Übersetzt von Ursula Gräfe
Gebundene Ausgabe: 192 Seiten
Verlag: C. Bertelsmann Verlag
Erscheinungsdatum: 23. April 2018
Sprache: Deutsch
Preis: 18 Euro
ISBN-10: 3570103358
ISBN-13: 978-3570103357

Sternschnuppengeflüster

💫 Der Inhalt

6 Wochen Sommerferien sind eine lange Zeit, um Träume wahr werden zu lassen.
Leni möchte, dass Nick sich auch in sie verliebt, Amelie wünscht sich, dass ihre Eltern zusammen bleiben und Paula seht sich danach, eine Schauspielschule zu besuchen und die Bühnen dieser Welt zu erobern.
Alle drei halten für die Erfüllung ihres Wunsches ein Wunder unausweichlich. Sie setzen auf die App Sternschnuppengeflüster, die verspricht, dass ihre Wünsche in Erfüllung gehen. Über die Wünsche-App lernen sich die Mädchen kennen. Es entsteht eine Freundschaft auf dem Weg zur Wunscherfüllung.

💫 Die Protagonisten

Leni ist ziemlich unsicher sich selbst betreffend. Sie ist mit ihrem Aussehen unzufrieden, da sie Nick gefallen möchte. Denn er ist ihr Traumtyp und wird nach den Ferien in ihre Klasse gehen.
Außerdem gibt ihr ihre Mutter auch ständig das Gefühl, dass sie zu dick sei, weshalb sie diese Annahme übernimmt. Im Chat nennt sie sich daher auch Pummeline. Lenis Komplexe fand ich anfangs zu übertrieben, da ich dachte, dass sie wirklich dick sei und nicht verstanden habe, wieso sie nicht einfach effektiv etwas ändert. Doch nachdem ihre Komplexe sich als für mich unbegründet herausstellten, fiel es mir paradoxerweise nicht mehr so schwer diese auszuhalten.

Im Chat der App lernt Leni zunächst Amelie kennen.
Amelie versteht was von Optik und unterstützt Leni in ihrem Vorhaben Nick optisch für sich zu begeistern. Sie selbst ist bei Sternschnuppengeflüster angemeldet, weil sie Angst davor hat, dass ihre Eltern sich scheiden lassen. Außerdem ist sie neu zugezogen und kennt noch niemanden in der Gegend. Obwohl die beiden eigentlich unterschiedlich sind, verstehen sie sich gut und Amelie wird eine richtig gute Freundin! Ich finde schön, wie die Mädchen miteinander umgehen und sich unterstützen.

Zur Unterstützung holen sie auch Paula ins Boot: Mit ihren Schauspielkünsten soll sie die Ehe von Amelies Eltern retten. Sie freut sich über diese Chance ihr Talent nutzen zu können, da sie nichts mehr will als Schauspielerin werden. Leider sind ihre Eltern dagegen. Mit Paula habe ich persönlich am meisten mitgelitten, weil ich die Eltern mega fies fand und sehr engstirnig in ihrer Argumentation.

💫 Das Fazit

Ein schönes Kinderbuch auch für ältere Mädchen! Der Schreibstil ist absolut altersentsprechend und auch realistisch. Ich habe es in einem Rutsch durchgelesen. Die Lebenssituationen lassen viel Raum für eigene Projektionen und auch die Unterschiedlichkeit der Protagonistinnen.

Auf einen Blick

Sternschnuppengeflüster
Autorin: Sofie Cramer
Verlag: Carlsen
Seiten: 284
Alter ab 11 Jahren
ISBN 978-3-551-65184-6