Monat: August 2018

Das babylonische Wörterbuch

Der erste Eindruck

Die vorliegende Ausgabe ist ein absolut ansprechendes Buchkunstwerk. Die Farbgestaltung des Schutzumschlags findet sich auch auf dem Bucheinband wieder: Dieser ist ebenso türkis wie die Fadenheftung und das gelbe Lesebändchen kontrastiert dies. Den Vorsatz bilden farblich stimmige Vögel auf einem gelben Hintergrund, was diese ohnehin wertige Ausgabe einmalig macht.

Der Inhalt

Das babylonische Wörterbuch vereint 13 Erzählungen des lateinamerikanischen Autors Joaquim Maria Machado de Assis.
Als Beispiel möchte ich näher auf die namensgebende Geschichte eingehen.

Das babylonische Wörterbuch handelt von dem Fassbinder Bernardino, der politische Reden schwingt. Er stachelt das Volk auf, bis es seiner Meinung ist, dass der Thron dem Volk zustehe.
Allerdings wird nach dem Sturz des Königs klar, dass der Thron für dieses zu klein ist. So kommt es, dass Bernardino selbst den Herrschersessel besteigt.

Es folgen sinnfreie Amtshandlungen, wie beispielsweise, dass das gesamte Volk Brillen tragen muss, um Bernardino, der nach einer Augenentzündung selbst eine benötigt, nah zu sein. Oder, dass die Stelle des kleinen Zehs am Schuh mit einem Loch versehen werden muss, um mit dem König mitzufühlen, der an dieser Stelle ein Hühnerauge hat. Trotz seiner Machtposition hat der König es schwer im Kampf um die Frau, die er begehrt.

Estreladas ,,Familie redet ihr ein, dass eine Krone auf dem Kopf wohl mehr wert sei als Sehnsucht im Herzen” (S.101), doch sie  gibt der Verlockung nicht nach. Heimlich begehrt sie einen Poeten, weshalb sie verkündet jenen zu heiraten, der das schönste Madrigal erdichtet.

Dreimal siegte der Mann ihrer Begierde, doch Bernardino ließ dies jedes Mal für ungültig erklären.
Seine Minister raten ihm dazu, eine neue Sprache zu schöpfen, damit der begabte Konkurrent keinen Vorteil mehr hat.
Daraus resultierend entsteht das babylonische Wörterbuch und der Wettkampf geht in die vierte Runde.

Das Fazit

Die beschriebene pseudohistorische Anekdote steht stellvertretend für die gesamte Sammlung, obwohl diese vielfältiger ist.
Doch obwohl jede Erzählung für sich steht, wird deutlich, was dieses Buch ist: Unterhaltsam, paradox und auch anregend.
Was ich zunächst befremdlich fand, im Verlauf des Lesens aber immer ansprechender, ist der altmodische Sprachstil.
Geschuldet ist dies wohl der Zeit, in der der 1839 geborene Autor lebte.

 

Auf einen Blick

 

Aus dem Portugiesischen von Marianne Gareis, Melanie P. Strasser Mit Nachwort von Manfred Pfister Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 256 Seiten, 9,0 x 15,0 cm ISBN: 978-3-7175-2422-9 € 20,00 [D] | € 20,60 [A] | CHF 28,90* (* empfohlener Verkaufspreis) Verlag: Manesse Erschienen: 23.04.2018

Wenn wir wieder leben- Charlotte Roth

Der erste Eindruck

Ich mag das Cover und die Ernsthaftigkeit der Thematik, die in der Buchbeschreibung erwähnt wird. Die ersten 20 Seiten des Buches führen wohl erst noch zum Kern der Geschichte, denn ich musste mich nachträglich vergewissern, ob es sich tatsächlich um das erwartete Buch handelt.

Positiv finde ich den Schreibstil, den Einstieg in die Geschichte, der zum Weiterlesen veranlasst und die liebevolle Mutter, die Kosenamen wie “meine kleine Pirogge, mein Pischkachelche” in Petto hat.

Der Inhalt

In den 1920er-Jahren leben Lore, Gundi, Julius und Erik in Zoppot. Sie träumen von einer Musikkarierre und beginnen diese unter dem Namen “Die Vier aus Zoppot”. Die Freunde werden entdeckt und gefördert.

1963 fragt die junge Studentin Wanda nach der Vergangenheit ihrer Mutter. Allerdings hüllt sich die Familie in Schweigen.
Welche Rolle spielte ihre Familie im Nationalsozialismus? Auf welcher Seite stand sie?
Durch Unterstützung  begibt sich Wanda auf die Reise, doch sie muss einiges beachten:

Sie steigen in Poznan um, nicht in Posen, (…)fahren nach Gdansk, nicht nach Danzig, (…)nehmen die Regionalbahn nach Sopot. Die deutschen Namen klingen für viele Leute, als kämen Sie, um ihnen das Land wegzunehmen. (S. 330)

Das Fazit

Ich bin angetan von der Sprachgestaltung, allen genutzten Verniedlichungen und der Darstellung der Charaktere.
Es geht viel um Gefühle, die der Krieg ausgelöst hat und den Umgang der Menschen mit diesen.

Meine Mutter sagt, man muss sich um den Kehlkopf herum eine Grenzlinie ziehen: Die Augen und Ihren nehmen alles auf, das Gehirn verarbeitet alles, aber der Hals filtert, und in die Brust rutscht nichts.

Lediglich in der Mitte zieht sich die Handlung , aber darüber wegzusehen lohnt sich. Mich auf diesen Roman einzulassen war eine gute Entscheidung: “Wenn wir wieder leben” von Charlotte Roth hat mich aus meinem Sommerleseloch geholt.

Auf einen Blick

Taschenbuch: 608 Seiten
Verlag: Knaur TB (2. Juli 2018)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3426520303