Kategorie: Allgemein

Fliegende Hunde von Wlada Kolosowa

Der Inhalt

Der Roman ,,Fliegende Hunde” von Wlada Kolosowa handelt von den beiden Freundin Lena und Oksana, die gemeinsam erwachsen werden. Sie teilen alles miteinander und auch ihre ersten körperlichen Erfahrungen machen sie zusammen. Doch die Unsicherheit und Scham sind groß.

Lena beschließt Model zu werden und geht dafür für drei Monate nach China. Hier macht sie viele Erfahrungen, mehr schlecht als gute, auch und besonders mit dem anderen Geschlecht.

Die zu Hause gebliebene Oksana beginnt derweil eine ungesunde Blockade-Diät, die aus Kriegsrezepten besteht.  Ungenießbare Dinge werden als Essen missbraucht, um abzunehmen. Um näher dran zu sein an dem Ideal, dem die Freundin Lena als Model wohl entspricht. Diese hingegen beneidet Oksana um ihre guten Noten in der Schule.

Die beiden sagen sich das nie und verheimlichen sich ihre Gefühle auch auf Distanz. Dennoch fehlen die Mädchen einander. Doch beim Wiedersehen wird deutlich, dass die getrennte Zeit unterschiedliche Zukunftsvorstellungen und Perspektiven entworfen hat.

Meine Meinung

Da ich bereits von der Leseprobe beigeistert war, ist es absehbar gewesen, dass ich dieses Buch lieben werde.

Die Kapitel wechseln sich ab und thematisieren abwechselnd Oksanas und Lenas Leben, wobei die Schnittmenge deutlich wird, aber auch, wie diese sich minimiert. Die Charaktere werden sehr gut gezeichnet und ich konnte mir alle Personen, auch die Nebenfiguren, sehr gut vorstellen.

Der Roman erweckt kein Mitgefühl und schockiert dennoch. Mit beschriebenen Praktiken bei der Gewichtsreduktion, mit dem Umgang mit Tieren in Russland und mit den Kriegsgeschichten von Lenas Oma.

Das Fazit

Eine Freundschaft entzweit sich durch die Liebe, durch Konventionen und unterschiedliche Vorstellungen von dem, was sich Leben nennt. Ein starkes Buch!

Auf einen Blick

Fliegende Hunde
Wlada Kolosowa
Verlag Ullstein fünf
Roman
Erscheinungstermin 09.03.18
Seitenanzahl 224
ISBN 978-3-96101-006-6

Tage wie diese

Tage wie diese- John Green, Maureen Johnson, Lauren Myracle

,,Tage wie diese” gliedert sich in drei Kurzromane, geschrieben von den drei Autoren  Maureen Johnson, John Green und Lauren Myracle, die letztlich einen ganzen ergeben.

Der Jubilee-Express von Maureen Johnson

Der Inhalt

Von Seite 7 bis Seite 142 lässt Maureen Johnson Jubilee von sich und ihrem Weihnachten erzählen. Jubilee hat nicht nur einen seltsamen Namen, sondern auch Eltern mit einer seltsamen Vorliebe: Sie sammeln Weihnachtsdekoration, was blöderweise dazu führt, dass sie ausgerechnet an Weihnachten nicht nach Hause kommen können. Am liebsten würde sie einfach bei ihrem Freund Noah feiern, aber die Eltern wollen, dass Jubilee zu ihren Großeltern fährt.

Im Zug sind eine Horde nerviger Cheerleader und wegen des Schneesturms muss der Zug stehenbleiben. Jubilee entgeht ihnen zunächst durch einen Aufenthalt im Waffelhaus in der Nähe, doch als die Cheerleader nachkommen, beschließt sie mit Stuart, einem Fremden, mit nach Hause zu gehen. Dort trifft sie auf seine Mutter Debbie und seine Schwester Rachel, die sie herzlich aufnehmen.

Die Charaktere

Der Fremde ist Stuart und ich brauchte eine Weile, um ihn zu mögen. Aber dann habe ich ihn richtig ins Herz geschlossen! Er meint es von Anfang an gut mit Jubilee und öffnet ihr die Augen bezüglich ihrer Beziehung zu ihrem Freund Noah. Und auch seine Mutter trägt zu seiner Sympathie bei, da sie mit ihren Worten über ihn ein anderes Bild von ihm formt, als er es zunächst selbst tut. Außerdem ist Debbie äußerst herzlich und nicht besonders diskret dabei, die beiden verkuppeln zu wollen.

Das Fazit

Ich mag sehr gerne, wie die Geschichte geschrieben ist, da Jubilee typische Teenager-Gedanken hat, die jeder nachvollziehen kann. Dieser Kurzroman ist witzig und wunderschön und legt die Messlatte für die folgenden ziemlich hoch!

 

Ein cheer unglaubliches Weihnachtswunder von John Green

Der Inhalt

Der Herzog ist eigentlich ein Mädchen, doch von ihren engsten Freunden JP und Tobin wird sie eigentlich nicht als solches wahrgenommen. Eigentlich. Für Tobin ändert sich das an jenem Abend, an dem sie sich trotz Turbulenzen durch den Schneesturm zum Waffelhaus aufmachen. Das Ziel ist es, die dort gestrandeten Cheerleader aufzureißen. Aber Tobin hat mehr Interesse an seiner langjährigen Freundin.

Fazit

Der Kaufanlass für das Buch war natürlich der Name: John Green. Wer ihn noch nicht kennt, sollte das unbedingt nachholen und sich nicht beeinflussen lassen von dem, was ich jetzt kommt.
Denn ich bin enttäuscht!

Ich denke, dass ich diesen Teil der Geschichte gemocht hätte, wenn die vorhergehende um Jubilee nicht so viel besser gewesen wäre, wobei es auch gemein ist, sie zu vergleichen. Ich würde Rückblickend nach ,,Der Jubilee-Express” eine Pause machen und die beiden getrennt voneinander betrachten, was den Gesamteindruck hebt. Gepunktet hat ,,Ein cheer unglaubliches Weihnachtswunder” ganz klar mit Spannung auf dem Weg zum Waffelhaus. Allerdings stört mich sehr der derbe, bisweilen sinnfreie Umgang unter den Jugendlichen, dessen Ausführung ich als zu ausgeprägt empfunden habe.

Der Schutzheilige der Schweine von Lauren Myracle

Der Inhalt

Addie hat Liebeskummer, weil sie nicht mehr mit Jeb zusammen ist, seit sie einen anderen geküsst hat. Sie versinkt in Selbstmitleid, was ihr ihre Freundinnen Tegan und Dorrie deutlich zu verstehen geben. Sie will ihnen beweisen, dass sie nicht egozentrisch ist und übernimmt das Abholen eines Teetassenschweinchens für ihre Freundin. Das Ende wird hier natürlich nicht verraten, aber alle Handlungsstränge laufen noch einmal zusammen.

Fazit

Die Protagonistin ist furchtbar anstrengend und auch die Freundinnen empfand ich nicht als Sympathieträger. Der Schreibstil ist durchgängig flüssig, was den Roman sehr kurzweilig macht, sonst hätte ich vermutlich nach der zweiten Geschichte aufgehört zu lesen. Allerdings mochte ich am Schluss, dass die vorhergehenden Personen erneut zusammenkamen und von außen beschrieben wurden.

 

Auf einen Blick

Tage wie diese
Autor: John Green, Maureen Johnson, Lauren Myracle
Taschenbuch: 400 Seiten
Verlag: Arena (5. Juni 2014)
Sprache: Deutsch
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 12 – 15 Jahre
ISBN 978-3-96101-006-6

Engel sprechen Russisch von Mitja Vachedin

,,Engel sprechen Russisch” handelt von dem 30-Jährigen Mitja.

Er erzählt von seinem Leben, in dem er die Kindheit in der Sowjetunion verbrachte, und danach die Jugend in Russland, bis er nach Westdeutschland auswanderte.

Das ist mein kleines Abenteuer. Das ist mein Wunder. […] Das ganze Land wird es bald gar nicht mehr geben, ich werde dort Leben, wo die Karte zu Ende ist: Das Land, in das ich einmal auswandern werde, kennt diese Karte nicht. (S.27)

Dieses kleine Abenteuer erzählt Mitja dem Leser wie einem Freund, belanglos und ohne Spannungsbogen und erstaunlicherweise dennoch kein bisschen langweilig! Das gelingt vor allem durch den Kontrast der Kulturen, der sich durch den ganzen Roman hindurch abzeichnet.

Hier in Deutschland, meinen viele, Aluminium sei schädlich, doch das ist nicht so. Schädlich war es, in Sankt Petersburg in den Neunzigern aufzuwachsen. Aluminium ist voll in Ordnung. (S. 49)

Heimat, Leben und damit verbundene alltägliche Dinge werden so beschrieben, dass sie an tieferer Bedeutung gewinnen und erst durch ihre Versprachlichung erheiternd werden. Der Roman beschreibt und bewertet nicht. Es liegt weder Schwermut darüber, noch wurde es auf Biegen und Brechen humoristisch gestaltet.

Die Handlung ist so vielschichtig wie es dieses ,,dreilagige Zahnpastaleben” von Mitja: Viele Dinge werden thematisiert, sowohl geografische, als auch kulturelle Unterschiede.

Fazit

Engel sprechen Russisch hat so viele wunderbare Passagen, die ich sehr genossen habe. Ich wollte das Buch nicht weglegen, da es mich mit seiner Subtilität gefesselt hat. Die Schilderungen gegen Ende wurden etwas abstrus und generell störte mich, dass kein richtiger roter Faden erkennbar war. Manche Handlungen werden begonnen, unterbrochen und erst später recht unvermittelt zu Ende erzählt. Dennoch möchte ich diesen Roman ganz klar weiterempfehlen.

Auf einen Blick

 

Engel sprechen Russisch
Mitja Vachedin
224 Seiten
ISBN 978-3-421-04776-2
Erschienen: 25.09.2017
Verlag: DVA

Rattatatam, mein Herz von Franzsika Seyboldt

Vom Leben mit der Angst

Angst ist erstmal nur ein Gefühl mit einer Funktion. Sie soll uns beschützen vor wirklichen Gefahren, doch was, wenn sie überhand nimmt?

Am 11. Januar erschien „Rattatatam, mein Herz”, in dem Franzsika Seyboldt mutig und offen von ihrer Angststörung erzählt. Sie versteckt sich hierbei nicht hinter einem lyrischen Ich, der Freundin eines Freundes oder einem Pseudonym und trägt damit entscheidend dazu bei, Stigmatisierung entgegenzuwirken.

An manchen Tagen fühlt sich die Autorin wie eine Schildkröte: bepanzert und sicher. An anderen Tagen hingegen wie ein Sieb, das alle Eindrücke filtert, wobei sie nicht kontrollieren kann, was haften bleibt. Das innere Dilemma und die daraus resultierende Anspannung macht sie jahrelang mit sich aus. Niemand soll die Angst bemerken, was zwangsläufig noch zu mehr Angst führt.

Die Autorin beschreibt, wie ihr die Kontrolle über dieses Gefühl entglitten ist und sich ins Gegenteil verkehrt hat: Die Angst hat sie im Griff. Sie ist ein ständiger, intriganter Begleiter und verhöhnt in Dialogen ihren Wirt.

Dafür, dass Angststörungen ziemlich häufig auftreten (jeder 6. Deutsche hat 1x in seinem Leben eine), wird zeimlich wenig offen darüber geredet. Die Autorin bricht damit und somit auch mit dem Zwang unangreifbar sein zu wollen.

Sie beschreibt Erkenntnisse, die sie über die Jahre gewonnen hat und diese sind auch für Nicht-Angstpatienten sehr hilfreich. Beispielsweise beschreibt Seyboldt, wie sie gekränkt wird und das hinnimmt, um ihr Gegenüber nicht zu verletzen. Wie sie eine Frau beobachtet, die ihre Grenze wahrt und sich überlegt, dass sie sich das jetzt nicht getraut hätte. Genau diese Grenzen sind aber so wichtig. Das Wahrnehmen des Rechts auf die eigenen Gefühle.

Fazit

Inmitten von einer perfektionierten Welt wird hier eine wichtige Botschaft vermittelt: Es ist ratsam, sich selbst im Blick zu haben, Grenzen zu setzen und seine Priorität auf sich selbst zu legen. In diesem Leben, das einem nur einmal gegönnt ist, soll es einem so gut wie möglich gehen. Das nehme ich daraus mit.

Besonders hervorheben möchte ich noch die Aufmachung des Buchs. Das Cover zeigt den ausgeprägten Herzschlag, den die Angst mit sich bringt und so finde ich den Titel, die Optik, sowie die Haptik sehr gut gelungen. Ein wunderbares Buch, in jeder Hinsicht.

Auf einen Blick

Rattatatam, mein Herz:
Vom Leben mit der Angst

Franziska Seyboldt
Kiepenheuer & Witsch
ISBN: 978-3-462-31684-1
Erscheinungsdatum: 11.01.2018
256 Seiten

Alle Toten fliegen hoch: Amerika

Joachim Meyerhoff- Alle Toten fliegen hoch

Teil 1: Amerika

Ich wollte endlich lernen, so zu gucken, als hätte ich ein Geheimnis, und nicht, als wäre mir die Welt eines.

Mit dieser Motivation begibt sich der 17-Jährige Joachim im ersten Band von „Alle Toten fliegen hoch“ für ein Jahr nach Amerika. Gleich zu Beginn gibt er zu, dass er zwar oft behauptet, es sei ein Basketballstipendium gewesen, doch in Wirklichkeit haben seine Großeltern den Austausch bezahlt.

Diese schonungslose Ehrlichkeit zieht sich durch den gesamten Familienroman.

Der Ich-Erzähler ist ein normaler Teenager mit miesen Noten und Interesse für Sport und Mädchen. Weil er unbedingt nach Amerika will, schummelt er seine Person und seine Präferenzen betreffend bei der Austauschorganisation.

Als es soweit ist, lässt er mit großen Erwartungen seine Eltern, seine zwei Brüder und seine Freundin zurück, mit der er erst seit ein paar Monaten zusammen ist, und begibt sich auf seine Reise. Wegen seiner gemachten Angaben landet der Erzähler bei einer religiösen Familie in Laramie, einer idyllischen Stadt, in der das Leben ruhig ist, doch nicht zu ruhig für einen abenteuerlichen Austausch.

Zahlreiche neue Erlebnisse und Eindrücke warten auf den Protagonisten: Ein Wasserbett, auf dem er sich so herrlich unkompliziert zum Höhepunkt schwabbeln kann, ein gemeiner Gastbruder, dessen Hass keinen Grund zu haben scheint, sowie ein selbst zusammengestellter Stundenplan mit Fächern wie Tischlern, Theater und Identitätsfindung.

Meine Lieblingsanekdote trägt sich in der 3. Schulstunde an der neuen Schule zu. Beim Werken beobachtet der Erzähler, wie ein Mitschüler für seinen durch einen Bauern erschossenen Hund Brandy ein Kreuz zimmert. “Plötzlich schleuderte er seinen Hammer gegen die Wand und rannte aus der Werkstatt. Wir anderen gingen zum Kreuz. Da stand B R A D Y . Er hatte sich vor Trauer verschrieben.”

Ich mag sehr gerne, dass der Erzähler so detailliert beobachtet und wertfrei erzählt, das macht die Tragik der Situationen so komisch. Generell ist Meyerhoffs Sprache gekennzeichnet durch eine Leichtigkeit, mit der auch unschöne Erfahrungen für den Leser  erheiternd sind. Dabei liegt der Witz in der Gelassenheit, mit dem der Ich-Erzähler sich und sein Erleben reflektiert.

Fazit

Absolut lesenswert! Schade finde ich nur, dass der Erzähler erst ab etwa Seite 100 tatsächlich in Amerika ankommt. Die Rückblenden in die Kindheit nehmen dafür, dass sie für den weiteren Verlauf nicht mehr bedeutend sind, zu viel Raum ein. Ich habe anhand derer einen aufbrausenden, von Zornattacken  geplagten Charakter erwartet, der Schwierigkeiten mit den Gasteltern haben würde.
Insgesamt nimmt Meyerhoff den Leser so pointiert-witzig mit auf seine Reise, sodass die nächsten Bände jetzt ganz klar auch auf meiner Wunschliste stehen!

Auf einen Blick

Alle Toten fliegen hoch
Bandnummer 1
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
ISBN: 978-3-462-04436-2
Erschienen am: 14.02.2013
336 Seiten

Nathan und seine Kinder von Mirjam Pressler

Aufbau und Handlung von Nathan und seine Kinder

Der Roman ist eine Variation von Lessings Nathan der Weise. Er ist in 16 Kapitel gegliedert und jedes wird aus der Sicht einer anderen Figur erzählt. Sie stellen sich vor und berichten, wie sie in Nathans Haus gekommen sind. Dadurch wird die Handlung sehr vielschichtig und lebendig.

Die Geschichte spielt um 1192 in Jerusalem, zur Zeit der Kreuzzüge.

Am Anfang gibt es einen Brand in dem Haus, bei dem Recha, Nathans Tochter, von einem Tempelritter gerettet wird. Seine Tochter verliebt sich in ihren christlichen Retter.

Es zeigt sich im Folgenden, dass Nathan gut mit seinen Bediensteten umgeht. Als er von einem erfährt, dass er ein namenloser Waise ist und dessen Traurigkeit darüber verspürt, schlägt er ihm vor sich einen Namen auszusuchen.
Das Problem, dass sich für den Angestellten hierbei stellt ist aber, dass er seine Religion nicht kennt. Dazu sagt Nathan aber nur

Egal, wer deine Eltern waren, ein Mensch braucht einen Namen. Such dir etwas aus

Auf seinen Wunsch hin nennt er ihn Geschem, was Regen heißt.

Und weil wir alle Abrahams Söhne sind, heißt du jetzt Geschem Ben Abraham oder Geschem Ibn Ibrahim, je nachdem, wer dich nach deinem Namen fragt.

Das zeigt also den Konflikt der Religionen, um den es hier geht.

Sogar Nathans engster Vertrauter findet Nathans solidarische Haltung gegenüber Menschen, egal welcher Religion angehörend, gefährlich und nahezu ketzerisch.

Der Sultan Saladin ist ein Muslim und lässt Nathan rufen, um ihn zu fragen, was die richtige Religion sei. Er antwortet mit der Ringparabel, was das Kernstück des Romans ist.

Nathan glaubt, dass eine gute Tat eine andere nach sich zieht, doch viele trachten ihm wegen seines Toleranzgedankens nach dem Leben.

Ein Roman voller Weisheiten

Da ich nicht gerne Theaterstücke lese, mir Lessings Werk aber gerne zu Gemüte führen wollte, habe ich mich für diese moderne Variation entschieden und es war eine gute Entscheidung. Die Figuren sind mir vertraut geworden und vieles hat mich nachdenklich gestimmt.

Es sind nur die Wege, ihm (Gott) zu dienen, welche die Religionen unterscheiden, der Kern ist gleich: die Liebe zu Gott und die Liebe zu den Menschen. Und die Dankbarkeit für das Leben.

Leider sind religiöse Konflikte noch immer ein aktuelles Thema und wann immer ich jetzt damit konfrontiert werde, werde ich an Nathan denken.

Ich habe einen Traum, dass sich eines Tages die Menschheit erheben und die wahre Bedeutung ihres Glaubensbekenntnisses ausleben wird. Ich habe einen Traum, dass eine Tages die Söhne von Juden, Muslimen und Christen miteinander am Tisch der Brüderlichkeit sitzen können. (….) Aber es ist nur ein Traum. Die Wirklichkeit ist eine andere.”

Auf einen Blick

Mirjam Pressler
Nathan und seine Kinder
Roman
264 Seiten
ISBN:978-3-407-74233-9
Erschienen: 2009
Ab 14 Jahre
Reihe: Gulliver

Glücksspuren im Sand von Rachel Bateman

Glücksspuren im Sand

ist die Geschichte eines Sommers, eines Lebens und eines Todes. Sie wird von der 17-jährigen Anna erzählt. Ihre ältere Schwester, Storm, an der sie sich in ihrem Leben stets orientiert hat, ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Es beginnt ein Trauerprozess innerhalb der Familie, der von den Eltern anders durchlebt wird als von Anna. Im Zimmer ihrer Schwester findet sie eine Sommer-To-Do-Liste, wie sie Tradition hat und weil Storm tot ist, will Anna diese für sie übernehmen. Manche Dinge lassen sich einfach erledigen, wie zum Beispiel #1: Den Sonnenaufgang erleben, oder #4: Einen Leuchtturm besuchen. Schwieriger ist da schon der letzte der 15 Punkte: Mutig leben. Cameron, der Nachbarsjunge und beste Freund der Schwester begleitet Anna dabei, die Liste zu durchleben, wobei sie sich näher kommen. Doch Cameron hat Anna etwas verschwiegen.

Die Personen

Anna, die Ich-Erzählerin, nimmt den Leser mit in ihre Gedankenwelt. Mir gefallen die Erinnerungen, die sie an ihre Kindheit mit ihrer Schwester und Cameron hat, und wie sie sich eingestehen muss, dass diese Zeit schon lange vor Storms Tod vorbei war. Außerdem wird ihr jetzt erst bewusst, was sich verändert hat, seit sie kein Kind mehr ist.

Auf einmal war Cameron ein Junge und ich ein Mädchen, und sich an den Händen zu halten hatte etwas zu bedeuten. Ich bin mir nicht sicher, wann diese Verschiebung stattfand, kann nicht nachvollziehen, wann sich alles änderte, aber an einem Tag waren wir zwei Kinder, die in Fantasiewelten spielten, und am nächsten verlegen und distanziert.

Annas Tante Morgan ist mir sehr ans Herz gewachsen. Sie unterstützt Anna uneingeschränkt in jeder Lebenslage,  was sie zu ihrer Lieblingstante macht. Außerdem nennt sie Anna liebevoll Banana und ist eine sehr gute Trostspenderin.

Ich schmiege mich an ihren weichen Körper und, passe perfekt in ihre Umarmung, als wären ihre Arme vorgeformt von den ganzen anderen Gelegenheiten, als sie mich so gehalten hat.

Auch die besten Freunde finde ich gut gezeichnet und auch den Vater konnte ich mir gut vorstellen, lediglich bezüglich der Mutter hat sich in meinem Kopf kein Bild formen können.

Der Schreibstil

Der Roman ist sehr einfach gestrickt und liest sich flüssig. Ich liebe es sehr, mir in Büchern meine Lieblingszitate zu vermerken, doch davon gab Glücksspuren im Sand für mich kaum welche her. Nichtsdestotrotz vermitteln die Schilderungen vielschichtige Atmosphären, die das Glück und die Traurigkeit wiederspiegeln.

Das Fazit

Der Roman ist schön kitschig, mit der richtigen Portion Traurigkeit und ganz viel Zuversicht darauf, dass die Dinge gut werden.

Auf einen Blick:

Glücksspuren im Sand von Rachel Bateman

Aus dem Amerikanischen von Ute Brammertz
Originaltitel: Someone Else’s Summer
336 SeitenISBN: 978-3-453-27149-4
Verlag: Heyne fliegt
Erscheinungsdatum: 26.06.2017

Elefanten sieht man nicht von Susan Kreller

Der Titel Elefanten sieht man nicht

The elephant in the room ist eine englische Redewendung und bezeichnet etwas, das jeder weiß, über das aber niemand spricht. Das hier behandelte Tabuthema ist Gewalt innerhalb der Familie.

Der Inhalt

Mascha ist 13 Jahre alt. Seit dem Tod ihrer Mutter vor einigen Jahren, verbringt sie die Sommerferien bei ihren Großeltern in einer kleinen Siedlung. Mascha gehört einfach nicht dazu und langweilt sich. Auf dem Spielplatz begegnet sie den Geschwistern Max und Julia Brandner. Beide haben Verletzungen, die Mascha stutzig werden lassen.

Nachdem sie die zwei einige Tage nicht wieder gesehen hat, beschließt sie zu deren Haus zu gehen.
Niemand öffnet und in der Hoffnung, sie könnten im Garten sein, geht Mascha hinters Haus, um nachzusehen.

Der Garten ist leer, aber aus dem Haus kommen Schreie. Mascha schaut durchs Fenster:

Und als ich durch das Fenster blickte und etwas sah, das viel mehr war als ein sekundenlang fleckiger Bauch und eine sekundenlang klaffende Wunde an der Stirn.

Erschrocken rennt Manscha zu ihren Großeltern und erzählt, was sie gesehen hat, doch
die Oma bringt sie zum Schweigen:

Den Brandnders gehört das Autohaus drüben am Hügel, das weißt du doch. Du weißt, dass das anständige Leute sind. Alle hier wissen das. Sowas passiert hier einfach nicht!

Es ist egal, wem Mascha sich mitteilen will, immer stößt sie auf taube Ohren.

Es muss etwas getan werden, doch niemand tut etwas. Also denkt sich Mascha eine „Lösung“ aus. Diese ist nicht die beste Idee, aber wenigstens ist das Mädchen viel mutiger als die Erwachsenen und tut etwas.

Meine Meinung

Maschas ambivalentes Gefühlsleben ist sehr mitreißend. Einerseits will sie helfen, aber andererseits ist sie mit 13 einfach nicht in der Lage dazu. Unterstützung bekommt sie auch nicht und so wie die Erwachsenen auf sie reagieren, ist es umso bemerkenswerter, dass sie so idealistisch handelt. Sie bringt die Kinder damit in eine gefährliche Situation, die sie absolut romantisch verklärt betrachtet und verkennt, bis sich die Lage zuspitzt.

Ich hätte mir nach der Spannung des Verlaufs lediglich ein ausgedehnteres Ende gewünscht, beziehungsweise ein Nachwort, bevorzugt mit Happy End, damit junge Leser in ähnlichen Lebenslagen Hoffnung schöpfen können.

Auf einen Blick

elefant

 Titel: Elefanten sieht man nicht

 Seiten: 208

 ISBN: 978-3-551-58246-1

Weihnachten in der kleinen Bäckerei am Strandweg

Weihnachten in der kleinen Bäckerei am Strandweg von Jenny Colgan

ist der vermutlich letzte Band der Bäckerei-Trilogie. Die ersten Teile, Die Bäckerei  am kleinen Strandweg und Sommer in der kleinen Bäckerei am Strandweg, habe ich nicht gelesen. Auf der ersten Seite versichert die Autorin jedoch, dass es auch gar nicht nötig sei. Daher habe ich mir das Buch gekauft und kann das jetzt absolut bestätigen.

Zu der Kaufentscheidung beigetragen hat auch das schöne Cover. Was ich erst später entdeckt habe, aber auch total süß finde, ist der kleine Papageientaucher Neil, zu dem seine Schneespuren unten links im Bild führen.

Was davor geschah

Bevor es in der kleinen Bäckerei am Strandweg weihnachtet, ist Polly erstmal auf die Insel Mount Polbearne gezogen. Sie hat sich einen Leuchtturm gekauft, weil sie diese Vorstellung schön fand, doch leider sieht es in der Realität anders aus. Der Turm ist renovierungsbedürftig, verschlingt eine Menge Geld und die Temperaturen sind ziemlich eisig.  Dennoch lebt sie dort mit Huckle, ihrem Freund, und Neil, ihrem Papageientaucher. Polly gehört die Bäckerei im Ort.

Die Handlung

Bei Polly ist immer was los und sie kommt kaum zur Ruhe. Zum einen ist ihre beste Freundin Kerensa schwanger, doch unsicher, ob ihr rothaariger Mann Reuben der Vater ist. Wie soll sie ihm gegebenenfalls das brasilianische Riesenbaby erklären?

Außerdem beschäftigt Polly ihre eigene Herkunft. Polly ist ohne Vater aufgewachsen und ihre Mutter möchte nicht über ihn reden. Das hält Polly aber für nötig, denn Huckle möchte sie heiraten und eine Familie mit ihr gründen, aber sie fürchtet sich vor diesem Schritt. Nicht nur, weil sie selbst keine Familie hatte, sondern auch, weil alle Familien aus ihrem Bekanntenkreis zerbrochen sind.

Dass Polly Huckle bezüglich der Hochzeit hinhält und ihn erst später in Kerensas Geheimnis einweiht, kann Huckle nicht verstehen. Können die beiden sich aussprechen und wieder zueinander finden?

Das Leben war nun mal keine Buttercremetorte. Man konnte die Creme nicht über die Risse im Kuchen streichen und hoffen, dass sie unbemerkt blieben. So lief das nicht.

Fazit

Für mich war Weihnachten in der kleinen Bäckerei am Strandweg eine prima Sonntagslektüre am 3. Advent. Da Polly mehrere Baustellen hat, beschränkt sich der Roman nicht nur auf die Beziehung zwischen Polly und Huckle. Dadurch ist die Handlung sehr kurzweilig. Zum Entspannen und abschalten ist das Buch ideal. Eine heiße Schokolade dazu ist ein absolutes Muss. Ein Rezept dazu gibt es sogar im Buchdeckel.

Auf einen Blick

Autorin: Jenny Colgan
Seitenzahl: 368
Erscheinungsdatum: 02.10.2017
ISBN 978-3-492-31153-3
Verlag Piper
Originaltitel Christmas at the Little Beach Street Bakery
Übersetzt von Sonja Hagemann18

Asoziales Wohnen von Dirk Bernemann

Hinter jeder Tür ein anderes Scheißleben

Manche Leben wackeln wie Milchzähne im Kinderkiefer, das kann man deutlich spüren, wenn man sich die Mühe gibt, genau hinzufühlen.

Der Inhalt

Es beginnt im Erdgeschoss. Hier wohnt ein Ehepaar, dass gemeinsam vor sich her vegetiert. Er sitzt in seinen Ausscheidungen und sie empfindet nichts als Abscheu, Ekel und Gewohnheit für ihn, was sie aber Liebe nennt.

Rechts daneben wohnt der 38-jährige, dicke Sören  mit seiner Mutter, der sich in eine virtuelle Rapperidentität flüchtet und dazwischen Sibylle mit Mädchenträumen von der Liebe, die nicht wahr werden und auch nicht wahr werden können, weil ihre Angst das gar nicht zulässt.

Trautes Heim, Glück sagt Nein

Im ersten Stock wohnen Isabell und ihr Mann Justus mit 3 Kindern. Von außen betrachtet muss das sehr idyllisch wirken, doch in Isabell ist es ziemlich leer. Daneben lebt ein Autor, der das Leben will. Doch sein Wunsch ist einseitig.

Die Wohnung daneben gehört Manuel. Der Schönling datet sich gegen die Leere, doch er versteht die Liebe nicht.

Das ist wie Warmlaufen beim Fußball und nicht eingewechselt werden, das ist wie für die Schule ein beschissenes Gedicht auswendig zu lernen und nicht dran genommen zu werden, das ist wie vor dem leckersten Büffet stehen und plötzlich und unerwartet beim Essenangucken Magen-Darm-Grippe bekommen.

Zudem lebt in dem Haus noch die 5-jährige Lisa, die in einer lieblosen und nicht kindgerechten Familie groß wird. Sie verstummt, legt sich einen imaginären Freund zu und mit ihm besucht sie den gesichtslosen Alien im Dachgeschoss, der nur selten die Tür öffnet.

Die Welt besteht manchmal nur aus Angst und Nichtangst. Und man ist instabil und wackelt und glaubt, dass das Leben immer neue Abgründe auftun will. Man weiß noch nicht, dass wenn man älter wird, der ganze Scheiß auch noch schlimmer werden kann.

Der Roman zeigt: Alles kann schlimmer werden.

Fazit

Derb und schonungslos beleuchtet Dirk Bernemann die Schwermut menschlichen Daseins. Das Entkommen aus dem falschen, ungeliebten Leben ist gar nicht so einfach und auch der Kontakt zu anderen ist schwer, wenn alle so sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Für meinen Geschmack waren einige Fäkalien-Metaphern  zu viel enthalten, aber so kam die Massage besonders gut rüber, dass das Leben ein Haufen voller Scheiße sein kann.

 

Auf einen Blick

Asoziales Wohnen

 

 

Asoziales Wohnen
Unsichtbar Verlag
Oktober 2012
315 Seiten
ISBN 978-3-942920-14-8